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Der geschulte Blick - oder - Das Einkaufs-Desaster


Wir versetzen uns zum Beginn meiner Ausführungen viele, viele Jahre zurück in das Deutschland der Nachkriegszeit. Als das Wirtschaftswunder begann, man Geld hatte und sich schöne Sachen kaufen konnte. Damals gab es ein ziemlich klar definiertes Gesellschaftsbild. Der Mann ging arbeiten, die Frau hütete Haus, Hof und Kinder. Kümmerte sich um den Einkauf und hatte stets dafür zu sorgen, dass ein wohlschmeckendes Mahl auf den Tisch gelangte.


Manch einer mag diese "alte" Zeit vermissen, ich persönlich mag es aber moderner. Ich kann mich noch gut an meine Kindheit erinnern, meine Mutter war zwar eine durchaus emanzipierte und kluge Frau, aber ich weiß noch sehr genau, dass mein Vater weder wusste, wie man eine Waschmaschine bedient, noch wie man Nudelwasser aufsetzt. Da wollte ich ihm auf jeden Fall voraus sein.


Meine eigene Frau ist nicht nur emanzipiert. Sie ist selbstständig, unabhängig und weiß ziemlich genau was sie will und was nicht. Und auch wenn sie aufgrund ihres Hintergrundes als Hauswirtschafterin quasi eine Granate in der Küche ist, sieht sie keineswegs ein, das "Heimchen am Herd" sein zu müssen. Da hat sie recht. Nicht zuletzt deswegen, weil sie ja stets voll und teilweise ziemlich viel gearbeitet hat. Abends erschöpft nach hause zu kommen und dann noch kochen zu müssen treibt einem nicht gerade die Freudentränen in die Augen.


Noch in Deutschland war die Nahrungsversorgung daher eine ziemlich ausgeglichene Angelegenheit. Einkäufe wurden entweder abwechselnd, oder eben gemeinschaftlich (wenn es dann doch mehr war) erledigt. Beim kochen hatte meine Liebste zwar stets die Oberhand, ich bemühte mich aber, zwischendurch ebenfalls meinen Beitrag zu den kulinarischen Freuden zu leisten. Das klappte insgesamt recht gut, wie ich meine.


Hier in den USA leide ich aber unter schwerer Nahrungs-Amnesie. Oder anders ausgedrückt, ich bin da irgendwie raus aus der Materie. Ok, mal ne Packung Chips im Walmart kaufen oder nen Karton Bier, das krieg ich schon noch hin. Man kann mich auch für Kleinigkeiten losschicken wie z.B. Milch oder Kleinkram. Und ich schaffe es seit kurzem, unfallfrei den richtigen Kaffee bei Starbucks zu bestellen.


Und dann kommt sie wieder, die Frage des Grauens meiner Frau: "Schatz, was essen wir heute?". Der Hintergrund dieses Satzes ist dabei recht eindeutig. Meine Herzensdame hätte gerne etwas Anteil und Engagement meinerseits. Nicht weil sie nichts wüsste (das weiß sie immer) oder weil uns tausend Zutaten fehlen (was nicht passiert, aber dazu später mehr). Ihr geht es einzig darum, mit mir gemeinsam als Team zu planen und zu entscheiden. Es kann ja sein, dass sie Pasta machen würde, ich aber vielleicht ein Reisgericht ins Spiel bringe.


Doch mir treibt diese Art der Konversation die Schweißperlen auf die Stirn. Verdammt, was essen wir denn? Was will ich überhaupt? Moment mal, was genau ist eigentlich Essen? Ist dass das, wo man sich was in den Mund steckt, wenn es im Magen grummelt? Man muss an dieser Stelle wissen, dass ich nicht groß frühstücke und mein Mittagessen in der Arbeit - nun ja - von meiner Frau zubereitet wird. Jeden Abend macht sie mir für den nächsten Tag eine Bento-Box. Das ist eine Systembox, extra zum aufbewahren von Speisen mit verschiedenen Fächern und Ablagen. Wenn ich dann täglich mein Essen in der Arbeit auspacke, gibt es bei den Kollegen regelmäßig ziemlich lange Gesichter. Vermutlich weil ich ein Mehr-Gänge-Menü aus meiner Lunch-Box ziehe, wo andere noch am Salatblatt nagen.


Also nicht mal da muss ich mich ums Essen kümmern. Einkaufen? Macht sie auch alleine. Da wird der Walmart geentert und mit Generalstabsmäßiger Organisation alles gekauft, was wichtig ist. Ich betone hier, wichtig. Denn meine Frau kauft mit geschulten Blick und ziemlich ausführlich vorbereitet. Sie hat sich Gedanken gemacht, was es die nächsten Tage und Wochen zu essen geben soll, was man dafür benötigt, wie haltbar die Dinge sind und was man ggf. einfach auch für mehrere Sachen nutzen kann. Gehen wir doch mal gemeinsam einkaufen besteht meine Rolle eher darin, den Wagen zu schieben. So richtig mit bekomme ich nicht, was sie da so kauft. Vielleicht sollte ich da mal ein wenig genauer hinsehen, weil ich habe wirklich absolut nichts im Kopf was einkaufen angeht. Höchstens ob die 12er Packung Cola gerade günstig ist, dann hört es aber auch schon auf.


Die Organisation meiner Frau setzt sich zuhause fort, denn der Kühlschrank ist mit OrdnungsFächern ausgestattet, die einzeln mit Symbolen beschriftet sind um klar zu zeigen, was darin zu verstauen ist. Gleichzeitig erleichtert es auch den Überblick darüber, was man noch so alles hat und was man eventuell kaufen muss.


Es begab sich also nun an diesem sonnigen Samstag-Morgen, dass meine Prinzessin mir verkündete, sie hätte so ein leichtes Hunger-Gefühl und ein Frühstück nun also gut wäre. Mist, der Ball wurde zu mir gespielt. Ich muss Handeln. "Maus, ich könnte uns Bagels holen". Ha, ich hab nen Vorschlag gemacht, nimm das!!! "Ne du Schatz, das mag ich eigentlich nicht so gerne". Mist, alles umsonst. Nach Minuten des Überlegens und der Nachfrage meiner Frau, ob ich aufgrund Altersdemenz schon wieder den Wunsch nach etwas Essbaren vergessen hätte kam dann die grandiose Idee "Schatz, ich hol uns Brötchen und schau mal in den Kühlschrank, was wir sonst noch brauchen". Meine Frau nickte zustimmend, ich öffnete den Refridgerator und ließ meinen Blick professionell über die perfekt organisierten Lebensmittel schweifen. Danach verließ ich mit Küsschen für die Frau das Haus, um mit Stolz geschwollener Brust und einer Tüte in der Hand zu meiner Holden zurückzukehren.


Die hatte sich zuvor ein wenig gewundert, weil ich doch recht schnell weg war und sie nicht so recht wusste, was genau ich jetzt vor habe oder was sie eventuell schon vorbereiten könnte.


Ich mache es an dieser Stelle mal kurz: Das einzig Sinnvolle in meiner Tüte waren die Brötchen. Darüber hinaus hatte ich köstliche Salami gekauft, Cheddar- und Ziegenkäse. Mag sich grundsätzlich gut anhören, Problem dabei war nur, dass wir von all diesen Sachen mindestens eine, wenn nicht sogar gleich mehrere Packungen zuhause hatten. Oh mein Gott wie peinlich. Ich hatte sage und schreibe 15 Dollar für Dinge ausgegeben, die meine Frau in wesentlich größerer Form für nicht mal halb so viel Geld schon zuhause hatte.


Nach kurzer Verwunderung und einem Anflug von Verzweiflung brach meine Frau in schallendes Gelächter aus. Dieses Versagen auf ganzer Linie trieb ihr vor Lachen die Tränen in die Augen. Ihr kennt diesen Vergleich. Ihr fahrt mit dem Auto auf einer riesigen freien Fläche, links und rechts ist kilometerweit nichts, lediglich ein einzelner Baum steht da. Und ich bin genau dagegen gefahren, hab mir dabei ordentlich das Bein gestaucht und die Nase verbogen.


Ursprünglich hatten wir den Plan, ich solle mich mal als kleine Challenge einen Monat lang um Einkauf und kochen kümmern. Ich denke, nach dem heutigen Erlebnis ist klar, das wäre unser finanzieller Ruin.


Damn! Was eine Schmach, Bob, der Einkaufsdepp!


In diesem Sinne gehe ich mich jetzt mal in der Ecke schämen, oh boy!

Euer Bob!


P.S. Vielleicht wäre es doch besser, der Frau (die ich übrigens liebe) besser zuzuhören!



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