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In die Wüste geschickt...


Es ist Februar 2021 und ich bin inzwischen mehr als ein Jahr mit meiner Familie mit den USA. Ein wirklich großes Abenteuer mit vielen Höhen, aber auch Tiefen. Natürlich hat uns alle vor allem Corona belastet. Es ist ein ständiger Begleiter geworden und hat viele Pläne zunichte gemacht. Viele Menschen sind gestorben, Existenzen wurden zerstört oder sind bedroht, der Alltag ist nicht mehr der selbe. Ich will mich gar nicht beschweren, denn es geht mir und meiner Familie gut.


Und dennoch hinterlassen manche Dinge spuren. Ja, die Liebe hat sehr gelitten. Man verstrickt sich in Belanglosigkeiten, der Alltag wird immer zäher, die gemeinsame Zeit nicht mehr so geschätzt, wie es vielleicht sein sollte. Man verlernt zu Fragen "Schatz wie war Dein Tag", nimmt vieles als Selbstverständlich und vergisst nur allzu gerne, was der Partner eventuell aufgeben musste, um diesen Traum leben zu können.


Für mich persönlich war der Wechsel ziemlich einfach, denn im Grunde mache ich die gleiche Arbeit wie in Deutschland. Nur der Ort hat gewechselt. Selbst die deutsche Sprache muss ich nicht aufgeben, denn schließlich arbeitet man ja mit Landsleuten. So bin ich also, Tag für Tag, ziemlich ordentlich aufgeräumt und habe einen normalen Arbeitsalltag.


Für unseren Sohn gilt im Prinzip das Gleiche, mit der Ausnahme, dass er sich mit der englischen Sprache auseinandersetzen musste. Das klappt aber inzwischen so gut, dass er schon nahezu das Niveau der "echten" Amerikaner erreicht hat. Und so ist auch er jeden Tag aufgeräumt, genießt sein Schul-Leben, spielt mit Freunden und hat Spaß.


Meine Frau hat hierbei den allerbesten Job. Sie ist den ganzen Tag zuhause, muss nicht arbeiten und kann tun und lassen was sie will. Ein Traum-Leben, wie es besser gar nicht sein kann. Jeden Tag shoppen und im tollen großen Haus mit Pool abhängen. Besser geht es doch gar nicht.


Oder nicht?


Die Wahrheit ist leider sehr viel komplizierter, als ich es mir selbst eingestehen wollte. Zunächst einmal kann ich gar nicht so viel verdienen, wie man vielleicht gerne "vershoppen" würde. Ja sicher, wir sind hier durch meinen Arbeitgeber gut versorgt, aber deswegen noch lange nicht reich. Entsprechend werfen wir nicht mit Scheinen um uns. Aber das ist meine Frau auch gar nicht. Und spätestens wenn Deine Frau die Artikel und deren Standort im WalMart besser als die Mitarbeiter kennt weißt Du, sie war ohnehin schon oft genug dort.


Aber da ist doch das große Haus mit Pool. Das muss doch reichen! Klar, schön ist es und in dem Jahr haben wir viel Aufwand verwendet, um es uns so richtig gemütlich zu machen. Ich würde sogar meinen, dafür haben wir insgesamt das meiste Geld ausgegeben. Doch sein wir ehrlich, ein Käfig ist ein Käfig. Egal wie groß oder klein er ist. Und ob eine Matratze oder ein Luxusbett darin steht. Es ist dann eben nur ein komfortablerer Käfig.


Meine Frau ist eine selbstständige, kluge und aufgeschlossene Person. Sie scheut es nicht, Kontakte zu knüpfen und sprachlich hat sie überhaupt keine Probleme. Sie ist mobil, fährt gerne Auto und bringt alle Voraussetzungen mit, die man sich von seiner Partnerin wünscht. Gleichzeitig hat sie aber auch ihre Arbeit mit Leidenschaft gemacht. Berufung, nicht einfach nur Beruf. Immer mit vollem Einsatz, egal wie viele Überstunden. Stets da, wenn gebraucht.


Und nun? Nun hat sie mal wieder alles aufgegeben, um mit mir das nächste unserer vielen Abenteuer zu erleben. Soll sie sich halt ein Hobby suchen, wo ist das Problem? Das Problem ist, dass man ein Hobby nicht erzwingen kann, vor allem dann nicht, wann man so tief mit der Arbeit und deren Bedeutung verbunden ist.


Und so wird der Alltag zu einer immer gleichen, langweiligen Routine. Haben die Hunde gegessen? Ist der Kühlschrank gefüllt? Hat der Sohnemann geduscht? Warum hat der Mann schon wieder keinen Bock bei schönem Wetter raus zu gehen? Frust macht sich breit und das ist verständlich. Man verkommt von der geschätzten Mitarbeiterin und Kollegin zum unterbezahlten Hausmädchen.


Das Luxus-Wifey sitzt also zuhause und wartet brav, bis der tolle Gatte von der Arbeit heimkommt, um ihm dann gebannt an den Lippen zu hängen, während er von seinen grandiosen Taten berichtet. Das mag dem ein oder anderen Menschen genug sein, meiner Frau kann und darf das nicht genügen. Denn ich kenne sie anders. Und weil man ja ohnehin ständig aufeinander sitzt hat man kaum die Möglichkeit, sich auch nur im Ansatz zu vermissen. So wir früher, als wir noch beide lange Arbeitstage hatten und abends einfach nur froh und glücklich waren, uns im Arm halten zu dürfen.


Entsprechend dürfte es klar sein, dass es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Konfrontationen und Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Klar, ist in einer Ehe auch normal. Man liebt sich, man streitet sich, man verträgt sich. Alles im grünen Bereich. Doch ich kann nicht ignorieren, dass meine Frau noch keine Erfüllung gefunden hat und rastlos ist.


Was also tun? Ausbrechen. Etwas ändern. Auch wenn es radikal ist. Und so wurde die Idee geboren, meiner Frau einfach mal eine Auszeit zu gönnen. Einfach mal Urlaub zu machen, herunter zu fahren, mal wieder ganz bewusst nur auf sich selbst zu hören und zu achten. Am besten auch noch weit weg vom Alltag, dem Haus-mit-Pool-Käfig und allem was dazu gehört.


Ja, ich habe meine Frau buchstäblich in die Wüste geschickt. Mit gepacktem Koffer fuhr sie nach Las Vegas. Allein. Mit einem kleinen Koffer voll Klamotten und einer Seele voll Gedanken. Auftanken, Eindrücke sammeln, zur Ruhe kommen. Auszeit. Zeit ist überhaupt selten - und wertvoll. So viele Momente vergehen ungenutzt. Vielleicht haben wir auch verlernt, den Augenblick zu genießen. Weil unser Leben immer schneller wird, die Anforderungen immer höher. Man mag das gut finden oder nicht. Aber es ist heilsam in so vielen Dingen.


Gleichzeitig habe ich jetzt die Möglichkeit, auch mal auf mich zu hören. Den Alltag anders zu gestalten, auch mal mehr Zeit mit meinem Sohn zu verbringen, den ich das ein oder andere Mal sträflich vernachlässigt habe. Gönne ich meiner Frau diese Auszeit? Aber ja, ohne jede Frage. Vermisse ich sie? Und ob ich das tue. Aber dennoch bin ich dankbar. Dankbar, dass ich die Chance bekomme, meine Frau von Herzen vermissen zu dürfen.


Auch wenn sie nur ein paar Tage weg ist, es fühlt sich an wie Wochen. Genau so muss es sein, um sich selbst bewusster zu werden über das, was im Leben zählt. Damit man keine Gelegenheiten mehr versäumt oder Zeit ungenutzt verstreichen lässt. Ich weiß nicht, was das Leben noch für mich bereit hält. Aber ich bin mir sicher, ich möchte es mit genau dieser einen Frau verbringen.


Nie habe ich mich mehr darauf gefreut, sie in den Arm nehmen zu können und gebannt an IHREN Lippen zu hängen, während sie mir all die tollen Erlebnisse erzählt, die sie gemacht hat.


Die Zeit kann man nicht anhalten, aber richtig nutzen.

Euer Bob!


Und ja, ich LIEBE diese Frau!



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