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Wahrheit will Klarheit!



Ich habe nun länger nichts mehr geschrieben und das hatte einen guten Grund. Man könnte sagen, ich war "beschäftigt". Aber der Reihe nach.


Im Grunde geht es mir sehr gut. Muss ich wirklich sagen. Ich habe für mich das erreicht, was ich erreichen wollte, ich habe eine tolle Frau und einen wunderbaren Sohn. Ich wohne in einem schönen Haus in einem faszinierenden Land. Und dennoch bedrückte mich etwas und ich wusste einfach nicht was. Meine Frau und ich dachten schon an die verschiedensten Dinge, wie z.B. eine Midlife-Crisis, selbst psychische Ursachen wurden in Betracht gezogen. Ich hatte irgendwie die Lust am Leben verloren, den Genuss, die Spontanität und Abenteuerlust. Etwas lastete auf meiner Seele und belastete meine Beziehung jeden einzelnen Tag. So sehr, dass man sich die Frage stellen musste, in wie weit nicht sogar eine Trennung besser wäre.


Leider verschloss ich mich auch immer mehr, so dass es für meine Liebste kaum noch möglich war, überhaupt zu mir durchzudringen. Wir drehten uns im Kreis. Bis wir durch Zufall auf ein Thema kamen, welches mich so sehr emotional berührte, dass wir plötzlich wussten, was falsch läuft: Das Verhältnis zu meiner Mutter.


Man muss wissen, dass ich früher einen ausgesprochen guten Draht zu ihr hatte. Mutter und Sohn, eng verbunden, man kennt den Anderen, das passte einfach. Doch schon seit Jahren war in dieser Beziehung ganz gewaltig der Wurm drin. Wir hatten kaum noch Kontakt, meine Mutter wusste über mein tägliches Leben im Grunde nicht mehr Bescheid und machte auch keine größeren Anstalten, diesen Zustand zu ändern. Und ich? Nun, ich redete mir ein, dass mich das kalt lässt. Ist doch jeder für sein eigenes Leben verantwortlich und überhaupt, da stehe ich einfach darüber. Die Wahrheit ist jedoch, ich stand überhaupt nicht darüber und es belastete mich so viel mehr als ich mir und auch meiner Frau gegenüber eingestehen wollte.


Zum ersten Mal erkannte ich, dass ich dieses Sache völlig falsch eingeschätzt hatte. Und meiner Frau wurde klar, wie das Problem zu lösen sei. Ich musste nach Deutschland reisen, alleine. Und die Sache persönlich klären, denn telefonisch ging es nicht, es endete nur immer ohne jedes Ergebnis. Ja, es war ihre Idee und sofort sagte sie mir, ich solle mir keine Gedanken machen, sie würde sich um alles hier zuhause kümmern. Sohn, Hunde, Alltag, sich selbst... Damit ich das machen kann. Doch nicht nur das, sie organisierte auch sofort meine Unterkunft, nämlich bei meinen Schwiegereltern in München. Denn direkt bei meiner Mutter für längere Zeit wohnen? Keine gute Idee. Vor allem weil dort auch mein Stiefvater wohnt, auf den ich nicht wirklich gut zu sprechen bin.


Ich glaube, es war die eigene negative Erfahrung und die Vergangenheit meiner Frau mit ihrer leiblichen Familie. So konnte sie viel besser auf mich eingehen und die Probleme beim Namen nennen und mich unterstützen. Wie ähnlich unser beider Situationen sind, sollte sich später noch zeigen.


Meine Mutter spielt gerne heile Welt. Ernste Dinge werden eher weniger gerne angesprochen und Kritik ist eigentlich nicht erwünscht, weder an Ihr, noch an ihrem Mann. Auch wenn dieser verbal gerne mal über die Strenge schlägt und zwar nicht selten ohne Rücksicht auf Verluste. Nach diversen Vorfällen war unser Verhältnis also so abgekühlt, dass es kaum noch nennenswert vorhanden war.


Meine Frau war aber bereit, ein unwahrscheinlich großes Opfer zu bringen, um mir die Möglichkeit zu geben, die Dinge wieder ins Reine zu bringen. Der Abschied von meinen Liebsten am Flughafen war schrecklich, mein Herz hatte sich nie schwerer angefühlt. Gleichzeitig wusste ich, dass es eine Reise ins Ungewisse war, deren Ausgang vollkommen offen war. Meine Mutter wusste von alledem nichts, denn weil ich ja bei den Schwiegereltern wohnen würde, musste ich ihr gar nicht bescheid geben, dass ich komme. Meine Frau und ich dachten, dass genau diese Überraschung mir einen kleinen Vorteil für die anstehenden Gespräche geben würden.


Gut, ok. Nebenbei hatte ich natürlich auch einige andere Sachen geplant. Wenn man denn schonmal in der alten Heimat ist, dann besucht man natürlich einige liebe Leute, lässt einen kleinen Gesundheits-Check machen (in der alten Praxis meiner Frau) und versucht, zwischen den ganzen Gesprächen ein wenig das deutsche Essen zu genießen. Ich hatte mir auch ein Mietauto besorgt, damit ich unabhängig sein konnte.


Angekommen musste ich mich erst einmal an der deutsche Wetter gewöhnen, was vermutlich schwerer war, als den Jetlag zu überstehen. Ich wurde herzlich von den Schwiegereltern willkommen geheißen und konnte mich nun auf meine eigentliche Aufgabe konzentrieren, das Verhältnis zu meiner Mutter in Ordnung bringen, wenn möglich. Oder aber zumindest Klarheit zu erhalten, wo genau wir stehen, damit ich einen Abschluss finden kann.


Ich muss gestehen, es fing vielversprechend an, denn die Überraschung war gelungen als sie mich sah. Einfach mal eben so, aus den USA eingereist. Damit konnte sie nicht rechnen. Natürlich war da auch die Freude riesig, selbst bei mir. Doch ich war nicht gekommen, um Sonnenschein zu verbreiten, sondern weil ich ich dringend etwas klären musste und genau daher traf ich mich 2 Tage später erneut mit meiner Mutter - um zu reden. Man kann es hier kurz machen, es eskalierte nach nur wenigen Minuten aufs Übelste und nachdem mein Stiefvater sich mal wieder mit seiner herrischen Art meinte einmischen zu müssen entschied ich mich aufzustehen und zu gehen.


Meiner Mutter gab ich die Gelegenheit, mich anzurufen, sollte sie doch noch bereit sein, zu reden. Einige Tage später hatte ich dann meinen medizinischen Check und zu meiner Freude war der Kern der Untersuchung positiv, alles in Ordnung. Leider aber hatte ich in meinem linken Arm mal wieder eine Thrombose entwickelt, die behandelt werden musste. Im Gespräch mit der Ärztin (gleichzeitig eine gute Freundin) kam natürlich der eigentliche Grund meiner Reise und das sehr sehr schwierige Verhältnis zu meiner Mutter auf den Tisch und sie richtete meinen Blick auf etwas, was ich bis zu dieser Zeit überhaupt nicht in Betracht gezogen hatte: Narzissmus. Entweder bei meiner Mutter, meinem Stiefvater oder auch beiden.


Narzissmus? In meiner Familie? Niemals... Oder doch? Und plötzlich musste ich an meine Frau denken, die genau mit dem selben Problem über Jahre mit ihrer leiblichen Mutter zu kämpfen hatte. Da fielen mir die ganzen Sachen ein, warum ich keine vernünftigen Gespräche mit meiner Mutter führen konnte. Entweder war sie sofort das Opfer, oder aber sie versuchte mir ein schlechtes Gewissen zu machen, oder aber sie versuchte mich mit irgendwelchen Schleimereien um den Finger zu wickeln. Im Zweifel konnte sie sich auch an Dinge einfach nicht mehr erinnern oder stellte Erlebnisse anders dar. Hauptsache sie musste sich der Realität nicht stellen und das hatte ich nicht gesehen. Und zwar über Jahre schon nicht. Ich musste mich selbst hinterfragen. War unser Verhältnis früher nur deswegen so gut, weil ich keine unangenehmen Fragen stellte und nach ihrer Vorstellung "funktionierte"?


Umso mehr ärgerte es mich zu erfahren, dass sie über Jahre Kontakt zu meiner Ex-Frau gehalten hatte ohne dass ich davon wusste und ohne dass meiner Frau die Chance gegeben wurde, sich in der Familie zu etablieren. Zumal wir immer das Gefühl hatten, gerade mein Stiefvater würde meine Frau nicht mögen können. Natürlich nicht. Als Narzisst war es für ihn ein Unding, mit unbequemen Wahrheiten konfrontiert zu werden. Auch so etwas, was ich gerne einmal geklärt gehabt hätte.


Doch keine Chance. Meine Mutter hatte es noch nicht einmal geschafft, mir ihre neue Handynummer zu geben. Aber meine Ex-Frau, die hatte sie. Unfassbar. Ich bin ganz ehrlich, ich hatte meiner Mutter schon vor Monaten gebeten, diese Art von Kontakt zu unterlassen. Die Trennung damals war alles andere als fair mir gegenüber abgelaufen und ich hätte mir etwas mehr Verständnis und Loyalität innerhalb meiner Familie erwartet. Da war ich falsch gewickelt, dann meine Mutter dachte gar nicht daran und mein Stiefvater ermutigte sie auch noch, was mir nur noch mehr zeigte, wer hier das Kernproblem darstellte.


Einige Tage später rief sie mich dann an, um ihren guten Willen zu zeigen. Aber nicht aus eigenen Stücken, sondern weil mein Neffe sich in den Konflikt eingemischt hatte um zu helfen. Das Telefonat begann vielversprechend. Sie hatte sich offenbar Gedanken gemacht und so verliefen die ersten Minuten überraschend ruhig und einigermaßen konstruktiv. Doch dann kam der Moment, als ich auf meine Probleme mit ihrer "besseren Hälfte" zu sprechen kommen wollte und ab diesem Moment galt Alarmstufe 10. Es wurde wieder hitzig und endete damit, dass sie auflegte. Natürlich nicht, ohne erneut Gedächtnislücken bezüglich unseres letzten Gespräches aufzuweisen. Was, das hast Du gesagt? Was, so soll das gewesen sein? Für mich war nun der Drops gelutscht, wie man so schön sagt.


Wenn ich ehrlich bin, wäre ich am liebsten sofort in den nächsten Flieger gestiegen, denn ich hatte Klarheit gesucht und Klarheit bekommen. Das war das Ziel. Ein paar Tage wollte ich ihr natürlich noch geben und auch die Thrombose hielt mich noch auf deutschen Boden. Denn die Sehnsucht nach meiner eigentlichen Familie, den Menschen die für mich am Wichtigsten sind, wurde immer schlimmer.


Klar, es war schön, einige Menschen zu treffen und meine Schwiegereltern kümmerten sich gut um mich. Genau genommen waren sie mir sehr viel näher als meine Mutter. Und ja, das deutsche Essen habe ich genossen. Hat man auch auf der Waage gemerkt. Aber jetzt ist für mich die Zeit tatsächlich gekommen, einen Abschluss zu finden und das habe ich getan. Ich kann die Menschen nicht ändern, ich kann nur meine eigene Einstellung ändern. Ich muss erkennen, dass ich etwas nicht auf Zwang gut machen kann, aber auch dass ich mich nicht verstecken muss oder die Schuld permanent auf meiner Seite suche. Ich bin dank der Unterstützung meiner Frau über den halben Globus geflogen, das alleine war schon Zeichen genug. Wer sich mir dann aber verschließt oder sogar versucht, die Dinge umzudrehen, der tut mir nicht gut und hat in meinem Leben keinen Platz mehr verdient.


Umso mehr Platz habe ich nun wieder für die Menschen, die ihn mehr als nur verdienen durch die Dinge, die sie jeden Tag tun: Mich zu lieben und immer zu mir zu stehen.


Ohne die Hilfe und die Unterstützung meiner Frau wäre ich jetzt immer noch genau so ratlos wie eh und je. Ich bin dankbar für das, was sie getan und zu was sie mich ermutigt hat. Seite an Seite kann ich ihr vertrauen wie niemand sonst. Wo andere längst aufgegeben hätten, da hat sie erst richtig losgelegt. Das hat sie Kraft gekostet und die will ich ihr gerne zurück geben. In dem ich die beste Version von mir sein werde, die möglich ist.


Denn für mich ist sie die Liebe meines Lebens und das erkenne ich jeden Tag aufs Neue!

Euer Bob!

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